Alles steht Kopf 

oder sollte ich lieber sagen: 

„Behaltet klare Köpfe?“

Eine winterliche Kurzgeschichte

Schneit es gerade bei dir und du blickst aus deinem Fenster in eine friedvolle, vertraute Landschaft? Spähst du hinunter in den Hinterhof, hinüber zur Einkaufsstraße, beobachtest vorbei hetzende Menschen oder siehst den vorbeifahrenden Autos auf der Straße hinterher?

Vielleicht spritzt dir gefühlt sogar der Rest des liegengebliebenen Gemisch aus Schnee und Matsch durch die Fensterscheibe entgegen oder besteht mal wieder sowieso keine Chance auf weiße Weihnacht?

Glückwunsch – du steckst also mitten in der alljährigen, bizarren Vorweihnachtszeit.

Während du die wohlgeformten Schneeflocken in den Fokus nimmst oder völlig genervt die Matschepampe an den Randsteinen beäugst fallen dir plötzlich da draußen zwei kleine Gestalten auf. Du kannst kaum glauben was du da siehst, blinzelst mehrmalig und driftest immer weiter weg. Die Köpfe der beiden, viel zu groß geraten, thronen auf viel zu kurzen, kleinen Füßen. Sie scheinen einiges zu bereden. Der Mimik und Gestik nach würde man nach einer Weile auch eher schon vom Diskutieren sprechen.

Darf ich vorstellen – zwei ganz spezielle Weihnachtsgestalten: 

Dickköpfchen und Kehlköpfchen

Das Dickköpfchen, stur, trotzig und eigensinnig wie es ist, tat sich anfangs schwer auf ein Gespräch mit dem Kehlköpfchen einzulassen. Zu viele Menschen mit Vorurteilen, geistiger Unbeweglichkeit, ein paar Querköpfige und Verschwörungsköpfe kreuzten seinen Weg. Alle nahmen sie den Mund zu voll. Er hatte es satt!

Und auch dem Kehlköpfchen erging es nicht viel besser. Es traf viele verunsicherte Menschen.  Ein Gedanke nach dem anderen schoss ihnen durch den Kopf. Balsam für die Seele des Kehlköpfchen war das nicht gerade. Jeder brauchte gefühlt eine Sonderbehandlung. Doch das Kehlköpfchen war müde. Es bekam kaum noch einen Ton heraus, wurde traurig und trauriger und sackte schließlich immer mehr in sich zusammen. Die Atmung fiel ihm schwer, seine Stimme wurde immer dünner und krächzender. Das Kehlköpfchen, unser Stimmapparat, ein Spiegel vieler rastloser und müder Seelen. Da standen sie also, die beiden verwirrten Köpfe, in der eisigen Kälte.

Sie begegneten sich ganz zufällig. Beide spazierten umher um den Kopf freizukriegen. Resignieren brachte sie auch nicht weiter, also tauschten sie sich fleißig aus und lauschten geduldig den Erzählungen des anderen. Hinter ihnen lagen viele ungewisse, aufsehenerregende und mühsame Monate. Keiner der beiden wusste noch wo ihm der Kopf stand. Doch trotz der völlig unterschiedlichen Erfahrungen, die die beiden gemacht hatten und der andersartigen Wahrnehmung ihrer Welten, spürten sie plötzlich eine tiefe Verbundenheit – einfach so. Sie umarmten sich schließlich, steckten die Köpfe zusammen, wärmten sich aneinander und erinnerten sich daran, wie gut es ihnen doch ging.

Du schließt deine Augen, blinzelst ein mal feste und kommst zurück ins Hier und Jetzt.

Die repetitive und doch immer wieder sanfte, bezaubernde Vorweihnachtszeit. In ihr geht dem ein oder anderen Köpfchen vielleicht doch noch ein Lichtlein auf. Es ist eine Zeit, in der wir vermehrt darüber nachdenken, wofür es sich lohnt, sich Zeit zu nehmen. Wir erinnern uns daran Streitigkeiten auszudiskutieren, dem Gegenüber Verständnis zu zeigen und ihm zu verzeihen. Das hat doch noch niemandem den Kopf gekostet. Nicht mal den beiden Köpfchen da draußen. Lasst uns nicht zu oft mit Dingen aufhalten, die bereits vergangen sind oder noch weit vor uns liegen. Sie rauben uns nur Kraft und Frohsinn.

Ok, du hast es auch gemerkt, es wird langsam kitschig.

Aber jetzt passt meine Weihnachtsgeschichte wenigstens auf sämtliche Schablonen des Advent-Repertoires.

Bingo!

Frohe Weihnachten und Prost – auf ein gesundes, neues Jahr!

Mögen dir viele brillante, rücksichtsvolle und empathische Köpfe begegnen.

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